Der Fahrländer See – nördlich von Potsdam bzw. westlich von Berlin gelegen – ist schon lange kein Geheimtipp für Windsurfer und Kiter. Während es in Neufahrland zwei gute Einstiege gibt, (oder demnächst gab?) fühlt man sich am Nordufer eher als Paria, muss man sich doch neben dem von einem Angelverein genutztem Pumpenhaus auf einem Trampelpfad zum Wasser vorkämpfen (siehe Bild). Aktuell (2021) steht aber ein Surf- und Kiteverbot im Raum. Zum Verhältnis Sport und Naturschutz habe ich mir einige Gedanken gemacht:
Vorbemerkung: Als Biologe und Naturfotograf suche ich regelmäßig verschiedenste Seen in Brandenburg auf, bin im Naturschutz engagiert und habe Ende letzten Jahres durch Eigeninitiative bewirkt, dass ein großer landwirtschaftlicher Betrieb die Einleitung von verschmutzten und stinkenden Regenwässern in ein Naturschutzgebiet eingestellt hat. Im Moment dokumentiere und filme ich die Balz und das Brutgeschehen von Wasservögeln wie Haubentaucher, Rothalstaucher und Zwergtaucher.
Den Fahrländer See kenne ich seit drei Jahrzehnten, primär aber aus der Sicht des Windsurfers. Ein besonderer Vogelreichtum ist mir hier im Vergleich zu anderen Seen nicht aufgefallen. Zahlreiche Vogelarten wie die oben erwähnten, aber auch Grau- und Silberreiher, Gänse und diverse Entenarten sind hier nicht oder nur sporadisch zu entdecken (von Blesshühnern abgesehen) und wenn, dann vorrangig an der Mole zum Sacrow-Paretzer Kanal und in der Nord-West-Ecke des Sees. Möwen sieht man beim Fang von Fischen, vor allem aber fällt eine große Kolonie von Kormoranen auf (Winterhalbjahr). Regelmäßig besuchen Schwarzmilane den See und gelegentlich kreist ein Seeadler. An dem Neufahrland durchziehenden Kanal sind Stockenten zu finden, auch habe ich hier schon einen Eisvogel gesehen. Bei einem Spaziergang von Neufahrland aus bis zum Pumpenwerk Anfang Mai ist mir eine überraschend große Anzahl von Nachtigallen aufgefallen (daneben auch ein Kleinspecht!), denen das dichte Buschwerk gute Tarnung ermöglicht.
Meine Beschreibung passt also nicht zur augenblicklichen Diskussion und der Behauptung, dass hier ein biologisches Kleinod zu bewahren wäre. Der Mangel an Vielfalt könnte schon durch die Nutzung des Sees durch Windsurfer und Kitesurfer beeinflusst sein. Möglicher Weise spielt aber auch die Konkurrenz durch die Kormorane und die zahlreichen Raubvögel eine Rolle.
Vom Ortsvorstand Fahrland wurde mir geschrieben, die Surfer könnten doch auf andere Seen ausweichen, es gäbe in der Region doch so viele. Ein Blick auf die Landkarte scheint dies zu bestätigen, allerdings ist dieses Argument auch umgekehrt richtig: Den Wasservögeln stehen jede Menge Alternativen zur Verfügung. So findet man die Kormorane auch in großer Anzahl im unmittelbar benachbarten Sacrow-Paretzer Kanal. Auch haben Gewässer mit engen Buchten häufig eine größere Attraktivität für die Tiere, eine Abschirmung gegenüber dem Menschen ist oft durch breite Schilfgürtel gegeben. Während es für die Wasservögel also diverse Ausweichmöglichkeiten gibt, stimmt dies für die Surfer so nicht. Wasser an sich reicht nicht. Es muss geeignete Zugänge geben (der große Schwielowsee etwa hat keinen einzigen Zugang auf der relevanten Ost-Seite) und der See sollte nicht durch hohe Baumbestände abgedeckt sein (Eintritt des Windes sowie Luvstau). Schaut man sich unter diesen Aspekten die „Alternativen“ an, scheiden sie alle aus. Der Fahrländer See ist für Windsurfer und Kiter ein Kleinod ohne Alternative. Nicht zuletzt handelt es sich um Wassersport ohne Motoren!
Auch ökologische Aspekte sollten mit einbezogen werden. Die Anfahrt zum See dauert (je nach Wohnort) vielleicht eine halbe Stunde. Eine Fahrt zur Müritz dauert gut zwei Stunden, die Ostsee ist drei bis vier Stunden entfernt. Für die arbeitende Bevölkerung ist so ein Surf Trip nach der Arbeit dann ausgeschlossen und ein Wochenendausflug erzeugt unnötig CO2. Im Jahr 2020 haben die Reisebeschränkungen durch Covid-19 zu einer verstärkten Nutzung des Fahrländer Sees geführt. Dies ist aber hoffentlich nicht der zukünftige Normalzustand und die Situation in 2020 sollte nicht die Grundlage für weitreichende Entscheidungen darstellen. Ich möchte nochmals betonen, dass mit Umwelt- und Naturschutz am Herzen liegt. Die Kunst der Politik sollte es aber sein den Kompromiss zu finden. (24.06.2021)